Nach der Anti-Euro-Konferenz: Wie weiter?

Vorschlag für eine Abschlusserklärung der Aktionskonferenz „Der Euro vor dem Zusammenbruch – Wege aus der Gefahr“ am 25. September in Berlin. Jetzt anmelden!

Die veranstaltende „Volksinitiative“ unterbreitet für die Abschlussdiskussion auf der Konferenz folgenden Entwurf für das weitere Vorgehen.

Vorbemerkung: Der Name „Aktionskonferenz“ wurde gewählt, weil – im Unterschied zu ähnlichen Veranstaltungen – nicht nur Wissen vermittelt werden soll (das steht natürlich im Vordergrund), sondern auch der Versuch gewagt wird, weitere praktische Schritte vorzuschlagen und den Bürgerinnen und Bürgern Handlungsempfehlungen  zu geben. Die Diskussion um die „Abschlusserklärung“ soll ein Kristallisationspunkt sein, anhand dessen die Versammelten ihre Meinungsunterschiede beleuchten, Kompromisse finden, Gemeinsames erarbeiten. Einige neuralgische Punkte sind im folgenden Text bewusst offen formuliert, so dass die Versammlung wirklich souverän in der Entscheidungsfindung ist und nicht als bloßes Akklamationsorgan fungiert.

Bei den Forderungen/Vorschlägen der Resolution sind wir dem Prinzip gefolgt, kein Wünsch-Dir-Was zu formulieren; das hätte – von der Tobin-Steuer bis hin zum Verbot von Hedge-Fonds etc. – eine lange Liste gegeben! Stattdessen wurden nur solche Punkte aufgenommen, die WIR SELBST – das heißt wir Konferenzteilnehmer und unser Umfeld – in Angriff nehmen können.

( Zu verabschiedender Text)

Spekulanten und Bankster haben die größte Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg herbeigeführt. Offensichtlich ist: Geld- und Finanzpolitik darf nicht mehr in kleinen Zirkeln entschieden werden. Das Volk, das jetzt für die epochalen Schäden zur Kasse gebeten werden soll, muss hier wie in allen anderen wichtigen Fragen als politischer Souverän die Geschicke lenken. Wirtschaftsdemokratie statt Finanzdiktatur! Direkte Demokratie statt Parteienoligarchie!

In diesem Geiste sind am 25. September 2010 kritische Bürgerinnen und Bürger zu einer Aktionskonferenz zusammenkommen. Wir waren uns einig, dass in dieser existenzgefährdenden Situation die politischen Lagergrenzen überwunden werden und alle Demokraten zusammenstehen müssen. Dazu war die Konferenz ein wichtiger Schritt, weil sich die Versammelten trotz ihrer sozialen, weltanschaulichen und wirtschaftstheoretischen Unterschiede auf konkrete Schritte verständigen konnten:

1)Volkswiderstand gegen das Euro-System: Die „Rettungspakete“ für den Euro nützen nur den Spekulanten und Bankern. Wir lehnen alle Sparmaßnahmen ab, mit denen Steuerzahler und kleine Leute zur Finanzierung dieser Politik zur Kasse gebeten werden! Den gewaltlosen Widerstand gegen die unsozialen Folgen des Euro-Systems in Ländern wie etwa Griechenland sehen wir als vorbildlich an. Auch bei uns muss etwas passieren!
*Wir regen an, in den Städten und Gemeinden örtliche Komitees (Stammtische, Bürgerinitiativen, Volksinitiativen) zu bilden, die die Argumente gegen den Euro-Wahn verbreiten.
*Wir begrüßen juristische und verfassungsrechtliche Vorstöße zur Verhinderung der Euro-“Rettungspakete“.
*Wir rufen zur Teilnahme an Protestdemonstrationen und Streiks gegen unsoziale Politik auf.
*Wir unterstützen die Professoren Hankel und Schachtschneider, falls sie zusammen mit den weiteren Klägern vor dem Bundesverfassungsgericht eine Demonstration zum Urteil über ihre Verfassungsklage gegen die Griechenland-“Hilfe“ veranstalten.

2) Volksentscheid über den Euro: Der Euro wurde in Deutschland gegen die Mehrheit des Volkes eingeführt. Jetzt endlich muss der politische Souverän entscheiden! Wir werden deshalb selbstorganisierte Volksbefragungen, etwa parallel zu den Landtagswahlen des Jahres 2011, durchführen, in denen die Bürger über die Beibehaltung des Euro in seiner jetzigen Form abstimmen. (Die genaue Formulierung der Referendumsfrage wären auf der Aktionskonferenz zu diskutieren und zu entscheiden: Für eine Verkleinerung der Eurozone durch Ausschluss von Griechenland und anderen Defizitländern? Oder aber radikaler: Für den deutschen Ausstieg aus dem Euro und die Rückkehr zur Deutschen Mark?)

3) Volksbanken statt Zockerbanken: Wir rufen die Bürgerinnen und Bürger dazu auf, dem Spekulationscasino ihr Geld zu entziehen. Kündigen Sie Ihre Konten bei Zocker- und großen Privatbanken und legen Sie Ihr Geld stattdessen bei genossenschaftlichen und öffentlichen  Banken wie den Raiffeisenbanken, den Volksbanken und den Sparkassen an. Wenden Sie sich gegen Versuche der EU, den bewährten genossenschaftlichen und öffentlichen Bankensektor in Deutschland zu strangulieren!

4) Volkskongress gegen Finanzdiktatur: Zur Beratung weiterer Schritte gegen Eurokraten und Finanzhaie soll ein Folgekongress im Frühjahr/Frühsommer 2011 stattfinden. Die Konferenz beauftragt die das diesmalige Vorbereitungskomitee von der Volksinitiative (Berlin) erneut mit der Durchführung.

(Die Bedeutung des folgenden Punktes ist in der Volksinitiative und bei anderen Initiatoren der Konferenz umstritten; er sollte nur dann in der Abschlusserklärung bleiben, wenn die Konferenz ihn mit qualifizierter Mehrheit beschließt.)
5) Angesichts der Gefahr eines Euro-Zerfalls messen wir der Einführung von Regional- oder Ergänzungswährungen durch engagierte Bürgergruppen Bedeutung bei. Hierdurch entsteht in kleinen Wirtschaftskreisläufen kaufkräftige Nachfrage außerhalb des bankrotten Euro-Systems und damit Arbeitsplatzbedarf. In ernsten Notsituationen werden die neuen Zirkulationsmittel aber nur dann die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleisten können, wenn Nahrung und Güter des Grundbedarfs damit gekauft werden können, also wenn beispielsweise Bauern in den neuen Geldkreislauf einbezogen sind. Auf einer Konferenz im Sommer 2011 sollen deswegen praktische Experimente mit solchen Währungen mit Vertretern aus der Landwirtschaft und von Kooperativen diskutiert werden.

Entwurf: Jürgen Elsässer (nach Diskussionen in der Volksinitiative)

12 Kommentare zu „Nach der Anti-Euro-Konferenz: Wie weiter?

  1. „Spekulanten und Bankster haben die größte Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg herbeigeführt.“

    sehe ich nur bedingt so! die gesetzgebung bzw. die politik hat die vorraussetzungen dafür geschaffen das skrupellose zocker ihre karten mischen und zinken können. (mal ganz abgesehen davon, das unendliche viele ebenso skrupellose aktionäre am gezinkten blatt verdienen wollten und wollen)

    wer hat mehr schuld, der notorische und kranke zocker, oder der staat mit seiner oberaufsicht, die dem kranken, soziopathischen zocker die gezinkten karten gestattet? ohne abnicken von oben und der damit einhergehenden gesetzesänderungen wäre das gar nicht möglich gewesen. das geht mir immer zu sehr unter, vielleicht kann ich es aber nur nicht zwischen den zeilen herauslesen.

  2. http://www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/Doc~E5C983D65BC8B4FFF89EA081BFE06C1D0~ATpl~Ecommon~Scontent.html

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    19. September 2010
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    Gut gedüngte Graswurzeln
    Zwischen Chef-Etage und Tea Party entsteht ein neues Bild von Amerika: Die Reichen des Landes drängt es in die Politik. Sie nutzen dazu die diffuse Wut der Wähler. Und sie scheuen sich keineswegs, für ihren Kampf gegen Obama hohe Millionensumme in den politischen Ring zu werfen.
    Von Jordan Mejas, New York

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    Kapitol und Kapital – Die Tea Party demonstriert in Washington
    19. September 2010 Seit zwei Jahren heißt das New York State Theater, das im Lincoln Center vom New York City Ballet und der New York City Opera bespielt wird, David H. Koch Theater. Die Namensänderung erfolgte aufgrund einer Zuwendung von hundert Millionen Dollar, auszuzahlen über zehn Jahre und zu verwenden für die Renovierung des Theaters. Den edlen Spender kannten damals die wenigsten New Yorker.

    Dabei hatte er immer wieder viele Millionen verteilt: ans American Museum of Natural History, an das Metropolitan Museum of Art, das American Ballet Theatre, das Memorial Sloan-Kettering Cancer Center, das New York Presbyterian Hospital, das Massachusetts Institute of Technology, die Johns Hopkins University und viele andere kulturelle, akademische und gemeinnützige Einrichtungen. David H. Koch schaffte es dennoch, sich dem grellsten Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit zu entziehen.

  3. Abstürzende Mittelschichten

    Frank Hertels „Knochenarbeit“ als Psychogramm einer orientierungslosen Generation

    Rudolf Stumberger 16.09.2010

    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33302/1.html

    Abstürzende Mittelschichten
    Rudolf Stumberger 16.09.2010

    Frank Hertels „Knochenarbeit“ als Psychogramm einer orientierungslosen Generation
    In den 1970er Jahren war es der Österreicher Franz Innerhofer, der präzise in Romanen wie „Schöne Tage“ und „Schattseite“ das unfreie und mühselige Leben als Hilfsknecht auf dem väterlichen Bauernhof und als Arbeiter in der Fabrik beschreibt. Seine Protagonisten kamen von unten und arbeiteten sich langsam gesellschaftlich hinauf, entlang der „Großen Wörter“ in der Arbeiterabendschule.

    Mehr als drei Jahrzehnte später geht Frank Hertel den umgekehrten Weg. Der 38-jährige Akademiker (Studium der Soziologie) beschreibt in dem autobiographischen Bericht „Knochenarbeit“ seinen sozialen Abstieg aus der Mittelschicht in die Niederungen der Billiglohnwelt – als angelernter Arbeiter in einer Backfabrik.

  4. Kann mir jemand eine Quelle nennen für die Behauptung in dem Lied, dass Bundeswehr-Soldaten unter US-Kommando im Irak-Feldzug gekämpft haben? Ich halte diese Behauptung für ein Gerücht, aber ansonsten ein super Lied!

  5. „Die „Rettungspakete“ für den Euro nützen nur den Spekulanten und Bankern.“

    Ökonomisch gesehen halte ich das, vor allem mit dem „nur“, für falsch. Eine letztlich völlig andere Einschätzung, die meiner Meinung nach zutreffender ist, lässt sich bei Ihrem Kollegen Heiner Karuscheit nachlesen:

    „Aus Anlass der beschlossenen Hilfsmaßnahmen wurde regelmäßig darauf hingewiesen, dass das zur Verfügung gestellte Geld der Steuerzahler letztlich gar nicht Griechenland oder anderen betroffenen Staaten zugute kommt, sondern hauptsächlich den Banken, deren an Griechenland geliehene Gelder auf diese Weise gerettet werden. So richtig es war und ist, auf die Rolle der Finanzinstitutionen hinzuweisen, so wenig reicht dies aus. Die ENTSCHEIDENDE MACHT, die für den Erhalt der Währungsunion eintritt, ist die DEUTSCHE INDUSTRIE. Die Bourgeoisie der Bundesrepublik hat NICHT IN ERSTER LINIE WEGEN IHRER FINANZINTERESSEN, sondern weil sie über das produktivste INDUSTRIELLE NATIONALKAPITAL in Europa verfügt, das maßgebliche Interesse an der Beibehaltung der Europäischen Union, die den mit Abstand wichtigsten Exportmarkt bildet.“

    [Berliner Umschau vom 9.6.2010, http://www.berlinerumschau.com/index.php?cccpage=09062010ArtikelPolitikKaruscheit1%5D (Hervorhebung von mir)

    Politisch gesehen ist die einseitige und/oder ausschliessliche Fokussierung auf „Spekulanten und Banker“ daher ebenso problematisch. Nicht nur, daß man so den linken/liberalen Kritikern in die Hände spielt, die dann zu Recht mit Vorwürfen wie „verkürzte Kritik“, „Antikapitalismus der dummen Kerls“ etc. die Parallele zu historischer und aktueller Nazi-Ideologie und -Propaganda ziehen. Die meinen nämlich auch, daß dagegen „alle Demokraten zusammenstehen müssen“. Man verstärkt damit auch nur das oberflächliche, verlogene Gezeter der Mainstream-Medien. Wenn wir eine breite Volksbewegung initiieren wollen, in der „politischen Lagergrenzen überwunden“ werden, sind Kompromissformeln und kleinste gemeinsame Nenner zuweilen unausweichlich, um eine Brücke zwischen unterschiedlichen politischen GESINNUNGEN zu schlagen. Wer aber in der Hauptsache auf eine falsche Analyse und Bündnisperspektiven im Widerspruch zu tatsächlichen ökonomischen INTERESSEN setzt, baut auf Sand.

  6. 16.09.10 – Brüssel: Rentner fordern Mindestrente

    Am Mittwoch demonstrierten in Brüssel rund 4.000 Rentner für eine Mindestrente von 1.150 Euro und gegen die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, wie sie in den meisten europäischen Ländern gerade beschlossen wird. Aufgerufen haben die Gewerkschaftsverbände CSC, CGSLB und FGTB. Diese betonten, dass die Unternehmer schuld an der schlechten finanziellen Ausstattung der Sozialversicherung seien, wegen niedrigen Sozialabgaben und Steuersenkungen.

    http://www.rf-news.de/2010/kw37/16.09.10-bruessel-rentner-fordern-mindestrente

  7. Postdemokratie, Neofeudalismus, Scheindemokratie
    Politikwissenschaftler, Philosophen und Historiker haben vor einigen Jahren die beiden Begriffe Postdemokratie und Neofeudalismus für die die westlichen Demokratien geprägt.

    Der Engländer Colin Crouch kennzeichnet in seinem Buch Postdemokratie die westlichen Demokratien als „ein Gemeinwesen, in dem zwar nach wie vor Wahlen abgehalten werden […], in dem allerdings konkurrierende Teams professioneller PR-Experten die öffentliche Debatte während der Wahlkämpfe so stark kontrollieren, daß sie zu einem reinen Spektakel verkommt, bei dem man nur über eine Reihe von Problemen diskutiert, die die Experten zuvor ausgewählt haben“

    Kennzeichnend für eine Postdemokratie ist zudem ein System, in dem es nicht mehr auf die Bürgermitbeteiligung ankommt, sondern nur auf Ergebnisse, die nach Meinung der politisch-medialen Klasse dem Allgemeinwohl dienen und den Anforderungen von Verteilungsgerechtigkeit genügen, um das politische System stabil zu halten. Demokratischen Verfahren (Wahlen, Volksabstimmungen) werden von den Post- bzw. Scheindemokraten nur dann Bedeutung zugemessen, wenn die Ergebnisse geeignet sind, die Politik des Systems grundsätzlich zu bestätigen. Daraus resultiert das Denken und Handeln der politisch-medialen Klasse, daß das Allgemeinwohl objektiv bestimmbar sei und nicht in einem volkssouveränen Verfahren ausgetragen werden brauche, sondern mittels Verwaltungsvorgängen erreicht werden solle. Aktuelles Beispiel hierfür ist die Ausländerfrage. Die politisch-mediale Klasse will nicht wissen, ob die Deutschen in ihrer Mehrheit überhaupt Zuwanderung wollen, sondern sie will die angeblichen oder tatsächlichen Integrationsprobleme von Ausländern (unter Ausblendung der Tatsache, ob bestimmte Ausländer überhaupt integrationswillig oder integrationsfähig sind) auf dem Verwaltungswege lösen. Und das sieht so aus:
    „Wir“ brauchen mehr türkische Politiker, Polizisten, Richter, Sozialarbeiter, Fernsehmoderatoren und Lehrer. „Wir“ brauchen mehr Sport- und Freizeitangebote, vor- und nachschulische Betreuung, Sprachunterricht, Studienplätze, Stipendien, interkulturelle Kompetenz, Einbürgerungen usw. „Wir“ brauchen überhaupt mehr Türken. Daß dies alles dem Demokratieprinzip widerspricht, da Volksherrschaft an ein Staatsvolk gebunden ist, interessiert die Scheindemokraten nicht – im Gegenteil. Durch diese Maßnahmen beabsichtigen sie ihre Herrschaft als neofeudale Kaste zu zementieren.

    Ein weiteres Kennzeichen der Postdemokratie ist die Tatsache, daß die gewählten Abgeordneten ihre eigenen Kompetenzen – und damit auch ihre Verantwortung – auf angebliche Experten, externe Kommissionen und sogar auf Wirtschaftsunternehmen und Lobbygruppen abgibt. Dadurch entsteht eine völlige Umkehrung des demokratischen Prinzips, daß nämlich der gewählte Abgeordnete nicht mehr die Interessen der Bürger als des Souveräns vertritt, daß nicht mehr im Auftrag des Souveräns entschieden wird. Der Bürger soll vielmehr erzogen werden, den vorgegebenen Anforderungen eines behaupteten Allgemeinwohls zu entsprechen. Das bedeutet z.B., daß die von den Politikern im Auftrag von Hochfinanz und Wirtschaftsbossen verantwortete totale Entgrenzung und Liberalisierung der Wirtschaft (Stichwort Globalisierung) von den Bürgen als unabänderlich zu akzeptieren ist und andere Wirtschaftsmodelle überhaupt nicht diskutiert werden. Der Einfluß privilegierter Gruppen, speziell bestimmter Wirtschaftsgruppen, auf Regierungen in einer Postdemokratie ist daher erheblich. Als Beispiel hier kann auf die Tatsache verwiesen werden, daß Lobbygruppen und Unternehmen mittlerweile in Ministerien residieren und komplette Gesetzesentwürfe erstellen. Das ist auch der Grund dafür, daß alle Regierungen seit rund 20 Jahren so genannte Privatisierungen fördern und von den Bürgern mehr „Selbstverantwortung“ fordert. Colin Crouch schreibt, daß „je mehr sich der Staat aus der Fürsorge für das Leben der normalen Menschen zurückzieht und zuläßt, daß diese in politische Apathie versinken, desto leichter können Wirtschaftsverbände ihn – mehr oder minder unbemerkt – zu einem Selbstbedienungsladen machen.“ Es entstehen Situationen, in denen sich „Langeweile, Frustration und Desillusionierung breitgemacht haben; in denen Repräsentanten mächtiger Interessengruppen […] weit aktiver sind als die Mehrheit der Bürger […]; in denen politische Eliten gelernt haben, die Forderungen der Menschen zu manipulieren; in denen man die Bürger durch Werbekampagnen »von oben« dazu überreden muß, überhaupt zu Wahl zu gehen.“

    Eine weitere Erscheinung der Postdemokratie ist der Verfall, der Verlust der politischen Kommunikation, da die Medien weitgehend kommerzialisiert sind und sich in den Händen von sehr wenigen Menschen befinden. Die öffentlich-rechtlichen Medien stehen unter der Kontrolle der scheindemokratischen Parteien, welche das Führungspersonal von ARD und ZDF bestimmen. Mit GEZ-Zwangsgebühren hoch bezahlte Intendanten (Monika Piel, WDR -308 000 Euro Jahresgehalt, Dagmar Reim, RBB – 220 000 Euro Jahresgehalt, die anderen ARD-Sender sowie das ZDF halten die Höhe der Intendantengehälter geheim) sorgen für konsequent systemkonforme Berichterstattung. Die privaten Medien sind unter wenigen Großkonzernen aufgeteilt, die direkten und massiven Einfluß auf die Politik nehmen. Hier ist besonders die Medienkrake Bertelsmann zu nennen. Politiker sind durch die von ihnen selbst kontrollierten Medien von der Aufgabe entbunden, direkt mit dem Bürger zu kommunizieren. Diesen Auftrag übernehmen in der Postdemokratie die Medien. Weil hier seit Jahrzehnten selektiv und tendenziös berichtet wurde, steht die politisch-mediale Klasse dem Phänomen „Sarrazin“ hilflos, überrascht, ja feindlich gegenüber, weil die selbst geschaffene scheindemokratische Parallelwelt, in der sich eingerichtet hat, plötzlich und unerwartet mit der vom Bürger erlebten Wirklichkeit aufeinander trifft. Stefan Heym schrieb in der Wendezeit 1989, daß die Menschen in der DDR es empfanden, als würden in einer Wohnung die Fenster aufgemacht und der Mief zieht ins Freie, als auf unzähligen Kundgebungen in Mitteldeutschland die Menschen von ihren Gefühlen, ihren Erfahrungen und ihren Alltagssorgen berichteten und somit die SED-Propaganda entlarvte. Ähnlich scheint es den Deutschen des Jahres 2010 bei der Sarrazin-Debatte zu gehen, die deshalb wichtig ist, weil ihr eine Katalysatorfunktion zukommt. Selbstverständlich wollen die Scheindemokraten die Diskussion in eine systemkonforme Richtung zu lenken.

    Kennzeichen der Postdemokratie ist weiterhin die „Rückkehr der politischen Privilegien für bestimmte Unternehmer – unter dem Deckmantel der Rhetorik der Marktwirtschaft und des freien Wettbewerbs.“ Für Crouch ist dies „das gravierendste Problem für die Demokratie.“ Eine Postdemokratie bezieht ihre Demokratiedefizite auch aus der Bildung internationaler Zusammenschlüsse, die demokratisch nicht legitimiert sind. Ein Beispiel hierfür ist das Brüsseler Kommissarsregime, welches außerhalb der demokratischen Legitimationskette der EU-Mitgliedsstaaten steht und deren Richtlinien mittlerweile etwa 80 Prozent der von den nationalen Parlamenten verabschiedeten Gesetze ausmachen. Für die beiden deutschen Politikwissenschaftler Ritzi und Schaal ist Postdemokratie „eine Scheindemokratie im institutionellen Gehäuse einer vollwertigen Demokratie.“

    Zudem sind die personellen Verflechtungen der politisch-medial-wirtschaftlichen Klasse eng und weit verzweigt. Neben den tausenden Aufsichtsratsposten, welche das politische Personal in deutschen Unternehmen besetzt, sind es häufig auch vermeintliche Kleinigkeiten, die gar nicht mehr auffallen, aber doch bemerkenswert sind. Die ZDF-Nachrichtensprecherin Petra Gerster mußte vor einigen Jahren über die Vorwürfe gegen ihren Bruder Florian Gerster berichten, dem als Chef der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit Geldverschwendung bei der Ausstattung seines Büros vorgeworfen wurde. Maybritt Illner, ebenfalls ZDF-Nachrichtenfrau (nebenbei gesagt kurz vor dem Zusammenbruch der SED-Diktatur in der DDR noch Mitglied dieser kommunistischen Partei geworden!), sieht sich aktuell nicht in der Lage, die Nachrichten zu lesen, da sie über ihren Lebensgefährten René Obermann, Chef der Deutschen Telekom, im Zusammenhang mit Bestechungsvorwürfen berichten müsse. Der Sohn von Charlotte Knoblauch, Vorsitzende des Zentralrats der Juden, gehört zur Führungsetage der Pleitebank Hypo Real Estate (HRE), die von der Politik gerade wieder mit 40 Milliarden Euro Steuergeld „gerettet“ werden mußte und deren „Führungskräfte“ aktuell Bonis von bis zu einer halben Million Euro pro Person und Jahr ausgezahlt bekommen. Regierungssprecher wechseln ins öffentlich-rechtliche Fernsehen und umgekehrt, abgehalfterte, gescheiterte oder abgewählte Politiker bekommen lukrative Beraterverträge oder Festanstellungen bei Großkonzernen, nachdem sie für diese „Politik machten“. Um es auf die Spitze zu treiben, schlürfte der Regierende Bürgermeister von Berlin, Wowereit, Sekt aus den Pumps der „Talkshow-Queen“ Sabine Christiansen, die – ähnlich wie ihre Nachfolgerin Anne Will – mit ihrer Sendung auf Kosten der Steuerzahler Hunderttausende Euros kassierte. Während im historischen Feudalismus das Lehenswesen bodengebunden war, ist es in der Postdemokratie, im Neofeudalismus, kapitalgebunden. Die Postdemokratie ist ein System von gegenseitigen Abhängigkeiten, der Treueid wird dem Kapitalgeber geleistet. In der globalisierten Welt ist – im Gegensatz zum Mittelalter – das Lehen aber beliebig vermehrbar. Und im Gegensatz zum Ritter ist das Wort eines Politikers, eines Journalisten, eines Parteibonzen oder eines Verbandsfunktionärs nur solange etwas wert, solange am Monatsende die Überweisung durch den Lehnsherrn erfolgt. npd-bayern.de ist gespannt, was passiert, wenn die Überweisungen ausbleiben werden.

    Die Aufgabe einer Oppositionspartei in der BRD ist es, die Fahne von 1848 wieder aufzunehmen. Wir dürfen uns Bürgerrechte, Meinungsfreiheit und Volkssouveränität nicht von der durch und durch korrupten politisch-medialen Klasse durch ihren unverschämten Gesinnungsterror und ihre dümmlich-arrogante Wirklichkeitsverweigerung nehmen lassen.

  8. http://www.dkp-berlin.info/index.php?option=com_content&view=article&id=260:weg-mit-horrorkatalog-widerstand-organisieren&catid=5&Itemid=5

    Weg mit dem Horrorkatalog – Den Widerstand organisieren!
    Zum europaweiten Aktionstag am 29. September ruft Berliner Bündnis zur Demonstration
    Weg mit dem Horrorkatalog – Den Widerstand organisieren!
    Am 26. November will die Regierung Nägel mit Köpfen machen und ihren Raubzug, genannt Sparpaket, im Bundestag abnicken lassen. 80 Milliarden Euro sollen Arbeitslosen, Hartz-IV-Empfängern, Eltern, Rentnern und Jugendlichen kurz: uns – genommen werden. Sicher ist nur eins: Die herrschende Klasse bleibt ungeschoren.

    Damit ist klar, was Bundeskanzlerin Merkel meinte, als sie 2009 sagte: „Deutschland soll aus dieser Krise stärker und zukunftsfester herauskommen, als es hineingeht. Wir wollen diese Krise als Chance nutzen.“ Um die Stellung deutscher Banken und Konzerne gegenüber der Konkurrenz auf dem Weltmarkt zu stärken, setzt die Kapitalseite auf forcierte Ausbeutung durch Arbeitplatzvernichtung, Lohnabsenkungen in Form von Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich oder Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Auch eine neue Gesundheitsreform, die zu weiteren finanziellen Belastungen der Bürgerinnen und Bürger führen wird, ist auf den Weg gebracht.

    Über 30 Milliarden Euro sollen allein bei denen gekürzt werden, die sich am schlechtesten wehren können und bereits jetzt schon am wenigsten besitzen:

    •Die Zuschläge zum Arbeitslosengeld II beim Übergang vom Arbeitslosengeld I sollen wegfallen (200 Millionen jährlich)
    •der Zuschuss zur Rentenversicherung bei Alg-II-Opfern wird gestrichen (1,8 Milliarden jährlich)
    •Pflichtleistungen für ALG-II-Opfer werden durch Ermessensleistungen reduziert (2 Milliarden jährlich)
    •Das Elterngeld bei Alg II wird abgeschafft (400 Millionen jährlich)
    •Das Elterngeld bei mehr als 1240 Euro Nettoeinkommen wird begrenzt (200 Millionen jährlich)
    •Der Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger wird gestrichen (100 Millionen jährlich)
    Kurz nach Verkündung dieser Maßnahmen teilte das „Familienministerium“ mit, dass auch bei Geringverdienenden, also bei Minijobbern und Alg-II-Aufstockern, das Elterngeld um bis zu 268 Euro im Monat gekürzt werden soll.

  9. lars: niedrige sozialabgaben sind ein segen! sie werden aber , um niedrige steuern zu haben- dauernd erhöht- sinnvoll wäre eine lohnkostenreform über die mehrwertsteuer: s. manfred julius müller, du erwähnst seine seiten ja gerne hier).

  10. Klasse Konferenz! Kann mir vielleicht jemand sagen, was aus der Klage gegen die Griechenland-Hilfe geworden ist? Gab es schon ein Urteil? Vielen Dank! Und besonders vielen Dank an Herrn Elsässer!

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