Republik gegen Imperium

„Eidgenossen aller Länder, vereinigt Euch!“

Volles Haus gestern bei der Buchvorstellung von Elsässer/Erne „ERFOLGSMODELL SCHWEIZ: Direkte Demokratie, selbstbestimmte Steuern, Neutralität“: Wer pünktlich zu 20 Uhr ins HILTON am Gendarmenmarkt kam, konnte nur noch stehen.

Die blonde Thekenfee zählte 110 Besucher. Die Luft im Heine-Saal war schneidend, die Klima-Anlage entsprach anfänglich nicht den vier Sternen. Zumindest von zwei erprobtem Mitkämpfern weiß ich, dass sie sich nach kurzer Zeit an die frische Luft retten mussten …

Der Veranstalter, die ehrwürdige Preußische Gesellschaft, hatte ein buntes Publikum aus allen Schichten gezogen. Uniformen wurden, anders als sonst bei den „Preußen“, nicht gesichtet, dafür neben eleganten Grandseigneurs auch charmante junge Damen von diesseits und jenseits der Alpen. Was mich besonders gefreut hat: Es waren auch einige unserer iranischen bzw. schiitischen Freunde da. Sage noch einer, diese Leute bilden Parallelgesellschaften und bemühen sich nicht um Integration – dann bekommt er Ärger mit mir.

Nach einer ebenso schneidigen wie kundigen Einführung von Volker Tschapke, dem Präsidenten der Preußischen Gesellschaft, referierte zunächst Professor Max Otte. Auf diesem blog mag er nicht so bekannt sein, aber dafür in der Fachwelt und in der breiten Öffentlichkeit: Sein Buch „Der Crash kommt“ sagte bereits 2006, als noch niemand etwas davon wissen sollte, die Weltwirtschaftskrise voraus. Verkaufte Auflage bisher: Über 200.000 Exemplare! Seither wird der Wirtschaftsprofessor und Anlageberater durch Zeitungsredaktionen und Fernsehanstalten gereicht, und überall setzt er Akzente gegen den neoliberalen Mainstream.

Otte ist überzeugter Konservativer und Preußen-Anhänger und hat zu Kohl-Zeiten auch das Bundeswirtschaftsministerium beraten. Warum setzt sich so ein Mann Seit‘ an Seit‘ mit Elsässer für die Schweiz ein? In seinem Referat arbeitete Otte brillant heraus, dass die Trennlinien der Vergangenheit obsolet sind: Preussen und die Schweiz etwa konnte man im 19. Jahrhundert für Antipoden halten – hie der Obrigkeitsstaat, dort die Republik. Doch im historischen Abstand überwiegen aktuell die Gemeinsamkeiten: Beide Staaten repräsentierten Bürgerlichkeit, Gesetzmäßigkeit und eine gewisse Regulierung der privatwirtschaftlichen Gewalten – ganz im Unterschied zum angelsächsischen Modell des Kapitalismus, der sich heute durchgesetzt hat. Mit Rückgriff auf Oswald Spengler („Preußentum und Sozialismus“) malte Otte ein ebenso ökonomietheoretisches  wie politphilosophisches Panorama, das die Diskutanten im Publikum erkennbar inspirierte, wenn nicht elektrisierte.

Auch von meiner Seite betonte ich, dass am Thema Schweiz „nur“ ein allgemeines Charakterstikum  der Epoche deutlich wird: Ein Spektrum „von Elsässer bis Otte“ kann und muss die früheren Trennlinien überwinden, weil im Zeitalter des Globalismus nicht mehr die Frage „Sozialismus oder Kapitalismus“ im Vordergrund steht, sondern die Frage „demokratische Republik oder undemokratisches Imperium“. Während die Schweiz ein Modell der demokratischen Republik ist, entwickelt sich die Europäische Union immer mehr zu einem undemokratischen Imperium. Jetzt, wo über der Ägäis die Götterdämmerung der Euro-Zone und damit der gesamten EU heraufzieht, müssen sich Deutschland und alle anderen EU-Staaten entscheiden: Wollen wir als entmündigte Provinzen eines Imperiums den Weg in Entrechtung, Krieg und Armut weitergehen – oder kehren wir zurück zu Demokratie und Nationalstaat, für die die Eidgenossenschaft steht?

Griechenland und die anderen Defizitstaaten im Süden der EU müssen – im eigenen Interesse! – die Euro-Zone verlassen und ihre eigene Währungshoheit wiedergewinnen. In Zusammenarbeit mit neutralen und finanzstarken Ländern wie der Schweiz und Norwegen könnten sie eine zweite Wirtschaftsassoziation neben der EU bilden, etwa in Form der früheren EFTA. Aber alle derartigen Überlegungen für ein „anderes Europa“ würden nutzlose Spielerei, wenn die Selbständigkeit der Schweiz vernichtet und sie zur Unterordnung unter die EU gezwungen würde.

Nach einer Darstellung der wirtschaftlichen und demokratischen Erfolge des helvetischen Modells schloss ich mit der Parole: „Eidgenossen aller Länder, vereinigt Euch“. Der Beifall zeigte, dass dies im Saal Konsens war.  Draußen badeten die marmornen Preußengöttinnen des Gendarmenmarktes im milden Mondlicht und flüsterten Otte und mir ein neckisches „Gruezi“ zu.  Ein Freund sprach von einem „romantischen Abend“. Er meinte: Man konnte schon ins Träumen kommen – aber nun müssten Taten folgen.

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14 Kommentare zu „Republik gegen Imperium

  1. Hallo!

    Ich stimme Jürgen Elsässer grundsätzlich zu!
    Ferner verweise ich auf das Beispiel Kanada!
    Ein Grossstaat, der mit einem sozialen System, ordentlicher Gesundheitsversorgung und einem stabilen Bankensystem sehr wohl als Vorbild auch für Deutschland taugt.
    Und gegenwärtig von der im verborgenen vorbereiteten nordamerikanischen Freihandels-Zone bedroht wird!

    Jürgen Elsässer sollte sich auch durch starke (imho ungerechtfertigte) Kritik nicht beirren lassen, sondern sich selbst treu bleiben und seinen Weg gehen!

    http://www.hagalil.com/01/de/Antisemitismus.php?itemid=221

    Weder Zionismus und Neoliberalsmus/ Monetarismus noch Islamismus sind aktzeptabel!

    http://www.bilderberg.org

  2. Dass eine derartige Veranstaltung im regierungsamtlich durchtränkten Berlin möglich ist, und dass so viele ihre Zustimmung gaben, macht Mut. Noch ist die Freiheit nicht verloren. Man muss nur laut genug den abgehobenen Ober-Pfeifen den Marsch blasen!

  3. Was führt uns aus der dunklen Nacht,

    das schafft nur die Arbeitermacht.

    Wer bringt Wohlstand für unser Land

    das ist die schwielige Arbeiterhand

    wer läßt uns schlafen in himmlischer Ruh

    dafür sorgt der gegerbte Arbeiterschuh

    drum stehen wir in Reih und Glied

    und singen ein fröhliches Arbeiterlied

    Steininger

  4. Der Sozialismus, und das zeigt das Beispiel Venezuela, bleibt auf der Tagesordnung!
    Es geht ja nicht nur um das politische System allein, um die Frage demokratisches System oder totalitäre Diktatur, sondern, darum, über den Kampf für eine echte Demokratie, die diesen Namen verdient, zur Überwindung des sozialen Systems Kapitalismus/Imperialismus zu kommen. Um diese soziale Frage geht, nicht nur um jene ausschließlich politische.

    Wenn man diese Frage so verkürzt, muss man sich nicht wundern, dass man plötzlich den Beifall der preußischen Gesellschaft findet, die an keinerlei sozial-revolutionären Veränderungen in Richtung Sozialismus ein Interesse hat. Man denkt, man hat einen Bündnispartner gefunden, aber in Wirklichkeit befindet man sich in der falschen Gesellschaft, bekommt Beifall von der falschen Seite.

    Wenn man diese soziale Frage vom politischen System also abkoppelt, koppelt man sich auch von Veränderungen ab, die auf die Überwindung des sozioökonomischen Systems des Spätkapitalismus bzw. des schon fast feudalistische Züge tragenden Finanzkapitalismus abzielen. DIESER muss überwunden werden und mit ihm die Eliten, die ihn tragen. Das ist die Aufgabe! Und die preußischen Eliten zählen auch dazu!

    Ob diese Aufgabe im nationalen Rahmen oder im internationalen Rahmen gelöst werden kann, angesichts der heutigen Globalisierung, ist auch die Frage. Das müsste hier viel breiter diskutiert werden, BEVOR man sich auf den ausschlielich nationalen Weg festlegt.

    Das Beispiel Schweiz, das sog. Erfolgsmodell, zeigt, dass es ein gutes politisches System geben kann, dass aber unter Beibehaltung eines privatkapitalistischen Systems und der Geldmacht in wenigen Händen, sprich in erster Linie der Schweizer Banken und der Pharmaindustrie, es zu keiner echten Demokratie kommen kann, weil diese immer käuflich ist und bleibt.

    Blocher ist das beste Beispiel dafür. Es zeigt, dass trotz der Schweizer Demokratie ein Oligarch nach ganz oben kommen kann, der ausschließlich seine eigenen Interessen, aber nicht die der Schweizer Bevölkerung vorantreibt. Wenn so etwas aber möglich ist, und das Schweizer Volk nicht auf die Barrikaden geht, dann kann es sich nicht nicht um eine echte Demokratie handeln.

    Man kann also die Frage der Demokratie nie losgelöst vom sozial-ökonomischen System sehen!

  5. So geht das nicht! Wir können nicht nur die Finanzwelt betrachten und glauben damit alles abgedeckt zu haben. Eben diese Finanzwelt ist doch das Werkzeug zur Weltmacht der Schwachsinninigen, die sich selbst als Erleuchtete sehen. Es gibt kein Zurück mehr, alles und jeder ist nur noch auf Macht besessen. Genau das ist, das Ziel der Mächtigen, dass wir uns selber vormachen, über Geld, Macht erlangen zu können. Jeder rennt nur noch hinter diesem Instrument her.
    Geld kann man aber nicht essen!
    Und das Geld ist schon verteilt, die Macht vergeben und die Medien in einer Hand. So sau blöd kann man doch nicht sein, zu glauben, hier wäre noch Spielraum für, Individualismus oder eigenständiges Denken. Nada, die Bildzeitung hat eine Auflage von 180 tausend milliarden, der Rest Hungert und wir schauen nur zu, was die Schweine der Welt, die eingeweihten Politiker, die Puppen der Elite, mit uns machen. Nämlich nur verarschen. Ich fordere zum Nichtwählen auf, ich fordere das Geld zurück, welches als Steuern deklariert wird und rechtswiedrig, unter Strafe, automatisch eingefordert wird. Welches nur die Elite zur Verfügung hat und uns vorenthalten wird. Die Steuern sind Gemeingut, aber bestimmt nicht dazu da, um unsere fasistischen Politiker zu bezahlen, sondern für die Renten derjenigen, oder?

  6. Venezuela ist, entgegen linker Träumereien, KEIN sozialistisches Land, sondern ein Mischsystem mit einem starken privatkapitalistischen Sektor und einer plebiszitären Demokratie. Soooo weit von der Schweiz ist das gar nicht weg …

  7. @JE

    Ich habe nicht behauptet, dass Venezuela ein sozialistisches Land ist. Ich bin auch kein Träumer! Aber die sozialistische Orientierung, worauf Hugo Chavez des öfteren hinweist, ist vorhanden. Der Sozialismus steht dort auf der Tagesordnung. Und man braucht ein solches Ziel, eine solche Perspektive, die die Schweiz natürlich nicht hat. Die Macht des Finanzkapitals muss schrittweise, in einem revolutionären, ‚bolivarischen‘ Prozess (auf Venezuela bezogen) gebrochen werden. Und genau dies ist dort der Fall.

    Es leben Hugo Chavez und Evo Morales!

  8. J.Elsässer:

    „..im Zeitalter des Globalismus nicht mehr die Frage “Sozialismus oder Kapitalismus” im Vordergrund steht, sondern die Frage “demokratische Republik oder undemokratisches Imperium”

    Sehr gut formuliert.

    Die EU treibt mit Hochdruck den eigenen Untergang voran.
    Aus Brüssel werden wir von Kommissaren regiert, die vollkommen unlegitimiert vom Volk durch das Großkapital und ihrer Büttel in den Parlamenten an die Macht gehievt wurden.

    Sieht man in die Geschichte zurück, wurde die Halbwertszeit bekannter Imperien immer kürzer.
    Spätestens wenn die Imperien die Demokratie (entscheidend ist hierbei nicht nur das Wahlrecht sondern die Mitsprache des Volkes bei dem Einsatz der Hauptproduktionsmittel) faktisch zertstört und sich nur noch Kraft ihrer Waffen, Propaganda und Lügen am Leben halten, tragen sie den Keim ihres Unterganges unweigerlich in sich.

  9. „weil im Zeitalter des Globalismus nicht mehr die Frage “Sozialismus oder Kapitalismus” im Vordergrund steht, sondern die Frage “demokratische Republik oder undemokratisches Imperium”. “

    Das erscheint bei oberflächlicher Betrachtung richtig, ist aber zu kurz gedacht.
    Warum muß ich als Nicht-Marxist dem Ex-Marxisten Elsässer den Zusammenhang von kapitalistisch gesellschaftlichem Unterbau und Klassenstaat, den Zusammenhang von Akkumulationsgesetzen und Globalisierung erklären?
    Das weiß er doch selbst.
    Aber seine taktische Ablehnung der „Querfront“, seine Illusion hinsichtlich einer „Querfront“ zwischen E.-Gruppe und patriotisch bürgerlichen Kreisen muß E. fast zwangsläufig zum Reformisten werden lassen.

  10. Muß heißen:

    „Aber seine taktische Ablehnung der “Querfront”, seine Illusion hinsichtlich einer “Volksfront” zwischen E.-Gruppe und patriotisch bürgerlichen Kreisen muß E. fast zwangsläufig zum Reformisten werden lassen.“

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