Rettung: Raus aus der EU

Ein elendes Gewürge war der EU-Gipfel vom Wochenende. Die östlichen Neu-Mitglieder sind praktisch alle bankrott. Aber die westlichen Altmitglieder wollen – und können! – sie nicht alimentieren. Bevor deswegen wieder Gutmenschen jammern, muß prinzipiell festgestellt werden: Polen, Ungarn und erst recht die baltischen Staaten hätten niemals in die EU aufgenommen werden dürfen.

Und zwar in ihrem eigenen Interesse.  Auf dem freien Binnenmarkt hatten ihre alten Industriekombinate keine Chance gegen die hochproduktive Konkurrenz der Deutschen, Franzosen usw. Eine flächendeckende Deindustrialisierung war die Folge. Der ganze EU-Osten verdiente Geld nur noch mit Hütchenspielen („Finanzinnovationen“) , Tourismus und Prostitution. Die einzige Rettung für diese Staaten ist: Raus aus der EU, Errichtung hoher Zollmauern gegenüber dem Westen, und im Schutz dieser Zollmauern Neuaufbau ihrer Industrie.

Die Neumitglieder, die den Euro schon eingeführt haben, und außerdem auch Griechebland und andere Großschuldnern, sollten schnellstens raus aus der Gemeinschaftswährung – und eine neue Nationalwährung in einem solchen Umtauschverhältnis einführen, daß ihre Außenschulden nichts mehr wert sind und leicht beglichen werden können. S. dazu unten das Hankel-Interview.

FR, 11.02.2009

Wirtschaftsprofessor Hankel
„Euro blockiert Kampf gegen die Krise“

Die Finanzmärkte rechneten damit, dass die Währungsunion zerbricht, warnt Wilhelm Hankel. Klüger sei, den Euro geordnet abzuwickeln – und die Mark wieder einzuführen.

Professor Hankel, die Sorge, die Europäische Währungsunion könne auseinanderbrechen, ist zum Top-Thema avanciert. Sie haben vor dem Euro gewarnt. Fühlen Sie sich nun bestätigt?

Ich habe immer gesagt: Erst kommt der gemeinsame Staat und dann die gemeinsame Währung. Nicht anders herum. Die Sachzwangtheorie der Bundesregierung – die Währung zieht den Staat nach sich – war in Wahrheit eine Konflikttheorie.

Inwiefern?

Zur Person

Wilhelm Hankel (80) ist ein ebenso streitbar wie kluger Makroökonom. Der emeritierte Professor der Uni Frankfurt gehört zu den Euro-Kritikern der ersten Stunde. 1997 hatte er mit drei anderen Professoren vor dem Verfassungsgericht geklagt.

Die Rückabwicklung des Euro fordert Hankel heute. Nur so seien die Kosten der Krise gering zu halten.

Zwischen Theorie und Praxis wandelt der Professor. So war er Ende der 60er Jahre Abteilungsleiter Geld und Kredit unter Wirtschaftsminister Karl Schiller.

Die syrische Zentralbank wird derzeit von Hankel beraten. Die Liste der Länder, denen Hankel im Auftrag der GTZ und anderer Institutionen in Fragen der Wechselkurs- und Geldpolitik zur Seite gestanden hat, ist lang.

Die Eurozone droht auseinander zu fallen. Den Beginn sehen wir im Auseinanderdriften der Zinssätze. Die Geldbeschaffung wird für Staaten, die kurz vorm Bankrott stehen, immer teurer. Das betrifft Irland, Griechenland, Spanien, Portugal und sogar Italien. All diese Länder geraten jetzt innenpolitisch unter Druck, denken Sie an die Ereignisse etwa in Griechenland. Die wachsende Arbeitslosigkeit gefährdet die demokratische Legitimation der dortigen Regierungen. Sie müssen etwas tun. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten.

Welche?

Entweder die noch stabilen Länder helfen ihnen und ersetzen die dort abfließenden Gelder durch Beistandskredite und verhindern den drohenden Bankrott von Banken und Staat. Das geht aber nur solange, solange sie selber genug Geld haben, sprich ausreichende Leistungsbilanzüberschüsse. Oder aber die wackeligen Länder müssen sich selber helfen und innere Konjunktur- und Beschäftigungsprogramme auflegen. Das aber zwingt sie früher oder später den Euro zu verlassen.

Sie sprechen vom Staatsbankrott. Wie kommen Sie darauf?

Beim zehnjährigen Geburtstag des Euro hat man vor lauter Lobeshymnen ausgeblendet, dass Länder wie Spanien, Portugal, Italien oder Griechenland eine verheerende Politik betrieben haben. Gestützt auf die von der D-Mark geerbte Stabilität und die daraus resultierenden Niedrigzinsen haben sie sich mit Auslandskrediten bis zur Halskrause verschuldet. Jetzt werden diese Gelder abgezogen. Die Situation ähnelt fatal derjenigen Islands.

Spanien hat eine geringere Staatsverschuldung als Deutschland.

Aber weitaus höhere private Auslandsschulden. Dazu kommt der Anstieg der Lohnkosten. Sie haben sich wie auch in Italien und Griechenland gegenüber Deutschland in zehn Jahren fast verdreifacht. Damit haben sich diese Länder um ihre Wettbewerbsfähigkeit gebracht – weltwirtschaftlich wie in der Eurozone. Ihre Leistungsbilanzen weisen tiefrote Zahlen aus. In Spanien lag das Defizit im vergangenen Jahr bei knapp zehn Prozent, höher als in den USA.

Ist das nicht ein Henne-Ei-Problem? Weil die Deutschen eine so starke Lohnzurückhaltung geübt haben, haben wir Leistungsbilanzüberschüsse angehäuft und die anderen Länder spiegelbildlich Defizite?

Ich gebe Ihnen Recht. Deutschlands Gewerkschaften, aber auch die Linke, haben sich in der Euro-Frage nicht mit Ruhm bekleckert. Sie haben den von der gemeinsamen Währung ausgehenden Druck auf das Lohnniveau nicht wahrgenommen oder verdrängt. Sie haben das in Deutschland betriebene Lohndumping akzeptiert mit dem Argument, die Stabilität des Euro verlange das. Das hat zu den inneren Spannungen kräftig beigetragen. Aber das war vorhersehbar.

Dass die Deutschen so agieren?

Ja, die deutsche Volkswirtschaft stand auch zu DM-Zeiten unter dem einseitigen Einfluss der Exportlobby. Schon damals hatten die deutschen Gewerkschaften den Gedanken einer expansiven Lohnpolitik aufgegeben.

Wo liegt in der aktuellen Situation das Problem?

Der Euro erzwingt eine abgestimmte Politik der Währungsmitglieder. Die aber gibt es nicht. Die Krise macht deutlich, dass viele Länder über ihre Verhältnisse gelebt haben. Jetzt muss den Sündern geholfen werden, durch so disziplinierte Länder wie Deutschland, Niederlande, Österreich – oder sie müssen sich selber helfen und die Krise zu Hause bekämpfen. Da blockiert sie der Euro.

Warum?

Die Krisenbekämpfung muss auf zwei Beinen stehen: Der Geld- und der Finanzpolitik. Die Geldpolitik ist bei der Europäischen Zentralbank (EZB) zentralisiert. Die EZB kann nur eine Politik für die Eurozone insgesamt betreiben. Nationale Sonderinteressen sind ausgeschlossen. Aber auch die Fiskalpolitik ist blockiert durch den Wachstums- und Stabilitätspakt; er schränkt die Spielräume nationaler Haushaltspolitik stark ein.

Aber es hält sich doch niemand mehr an den Stabilitätspakt. Was also ist so schlimm?

Schlimm ist, dass die Geldpolitik bei der Krisenbewältigung ausfällt, ja sogar blockiert. Die krisengeschüttelten Euroländer müssten jetzt abwerten können. Aber im Euro geht das nicht. Dadurch funktioniert auch das Zusammenspiel zwischen Zinsen und Wechselkurs nicht mehr: Die Zinsen für die Defizitländer steigen statt zu fallen! Das verstärkt die Krise und den Druck auf die Steuerzahler.

In der Krise ist der Staat gefordert. Aber der kann nicht so helfen, wie er helfen müsste?

Richtig. Man darf eben nicht Staat und Währung trennen. Länder mit eigener Währung werden mit der Krise wesentlich besser fertig als die Länder der Eurozone. Das zeigt der Vergleich mit den USA, Japan oder der Schweiz. Der Steuerzahler kommt dort wesentlich besser weg als bei uns.

Können Sie das erklären? In den USA ist der Rettungsschirm für die Banken ungefähr so groß wie in Deutschland. Nur ist die Wirtschaftskraft der USA dreieinhalb mal größer, die Belastung für Staat und Bürger entsprechend geringer. Den Großteil der dortigen Sanierungskosten übernimmt die US-Notenbank.

Wäre nicht der Ankauf von Staatsanleihen der wackeligen Länder durch die EZB eine Möglichkeit, die Zinsen zu drücken?

Das wäre das Ende des Euro als einer immer noch leidlich stabilen Währung.

Wieso? Die Amerikaner machen das doch genauso. Die Fed kauft auch Staatstitel, um die langen Zinsen niedrig zu halten.

Die Amerikaner haben seit Jahrzehnten das verdammte Glück, dass Dreiviertel ihrer Währung im Ausland umläuft. Sie ist für Millionen Menschen in der Welt immer noch besser als das eigene Geld. Daran wird sich so schnell nichts ändern. Deshalb kann Präsident Obama darauf bauen, dass dieser Kredit, den Amerika vom Ausland erhält, nicht gekündigt wird.

Euroland hat diese Chance nicht?

Nein, das zeigt ja die Entwicklung des Wechselkurses. Als weltweite Reservewährung scheidet der Euro aus, weil es keine Euro-Staatsanleihen gibt. Es gibt keinen europäischen Staat.

Die Italiener fordern eine europäische Gemeinschaftsanleihe. Wäre das nicht ein erster Schritt?

Nein. Rechnen Sie doch nach wie groß die Summe dieser Anleihe sein müsste angesichts der Defizite von einem halben Dutzend Euroländer! Dazu kommen die Hilfsgesuche von elf weiteren Euro-Anwärtern in Osteuropa! Glauben Sie im Ernst, dass von Existenzängsten geschüttelte Bürger eine solche Anleihe zeichnen? Ein überzeugendes Kreditstanding besitzt allein Deutschland mit seinen hohen Überschüssen. Doch selbst diese gehen zurück. Die Anleihe wäre zu groß und viel zu teuer.

Aus Sicht der Deutschen.

Für alle Länder, die noch leidlich solide sind: Deutschland, die Niederlande und Österreich

Aber zahlt Deutschland nicht so oder so? Würden überall wieder nationale Währungen eingeführt, würde die neue D-Mark brutal aufwerten und die Wettbewerbsfähigkeit wäre dahin.

So argumentiert der Exportlobbyist. Für Deutschland wäre diese Aufwertung, wie schon Karl Schiller sagte, eine Sozialdividende für das deutsche Volk. Alles würde billiger: Energie, Benzin, Bananen bis hin zum Urlaub im Ausland. Die damit einhergehende Abwertung der anderen würde unseren Partnerländern die Chance geben, ihre Krise durch eigene Kraftanstrengungen zu meistern: etwa mit niedrigeren Zinsen, staatlichen Programmen. Deutschland hülfe Spanien durch eine Aufwertung seiner Währung mehr als durch eine noch so große Anleihe!

Das eine ist, den Euro zerfallen zu lassen. Aber warum nicht den großen Wurf wagen: Ein europäisches Parlament, eine europäische Regierung und so auch einen Finanzminister, der Steuern erheben darf und echte Euro-Staatstitel begeben kann?

Ökonomisch scheint das vernünftig. Politisch wäre es das Ende der Demokratie in den europäischen Staaten. Statt Verfassung und Parlamenten regierte eine mit diktatorischen Vollmachten ausgestattete Wirtschaftsregierung in Brüssel. Ein Albtraum!

Was also tun?

Die Politik muss die Konflikte in den Ländern des gemeinsamen Marktes und der Eurozone so gering wie möglich halten. Deshalb schlage ich die Rückabwicklung des Euro vor. Die EZB könnte als eine Art Internationaler Währungsfonds in Europa wirken, der Euro bliebe, wie früher der ECU, die unabwertbare Recheneinheit für die wieder nationalen Währungen. Diese wiederum hätten in Bandbreiten „atmende“, also anpassbare Wechselkurse untereinander. Wir hätten ein Europäisches Zentralbanksystem (EZBS), wie es die Verträge vorsehen mit einem Sprecher nach außen, der EZB.

Interview: Robert von Heusinger