Der Mörder ist immer der Fromme

Anmerkungen zum „Tatort“ und zum Streit Merkel contra Benedikt

Vermutlich haben es die wenigsten gemerkt: Es läuft zur Zeit in Deutschland eine gleichzeitige Kampagne gegen den Islam UND gegen die katholische Kirche. Die Gleichzeitigkeit fällt nur wenigen auf, weil denjenigen, die sich wegen der Intoleranz gegenüber den Moslems sorgen, die katholische Kirche bestenfalls egal ist – und umgekehrt.

Zuerst zum Tatort. Guter Krimi. Aber die Botschaft! Nichts als bösartiger Rassismus gegenüber den Moslems hierzulande. Gezeigt wird eine top-integrierte türkische Familie: Alle sprechen super deutsch, haben – im Unterschied zu den Kommissaren – gute Manieren und sind offensichtlich erfolgreiche und keineswegs mafiöse Geschäftsleute. Aber das alles nützt nichts, denn sie haben immer noch einen Makel: Sie wollen nicht von ihrem Glauben und ihren Traditionen lassen.

Alle Gemeinheiten und Verbrechen in diesem Film sind ein Resultat der Frömmigkeit, die sich die Familie bewahrt hat. Der Film dehnt den Fundamentalismus-Verdacht, der ohnedies hierzulande spätestens seit 9/11 immer stärker wird, aus: Eine Gefahr „für uns“ sind nicht nur rauschebärtige Hassprediger, sondern der durchaus westlich-weltliche Türke von nebenan. „Je angepasster einer erscheint, umso größer, weil unsichtbarer ist die Gefahr. Je weniger man eine terroristische Struktur unter den Moslems hier nachweisen kann, umso verdächtiger sind irgendwie alle. Das ist die Feinderklärung an eine inländische religiöse Minderheit, wie man sie seit den dreißiger Jahren nicht mehr gegeben hat“, schrieb ich dazu in meinem Buch „Terrorziel Europa. Das gefährliche Doppelspiel der Geheimdienste“.

Diese Moslemfeindlichkeit ist schon länger zu beobachten, wenn sie auch in letzter Zeit im Tatort gehäuft auftritt (vor vier Wochen, der Tatort aus Tirol, da ging’s auch um Ehrenmorde). Aber was total NEU ist: die Hetze gegen die katholische Kirche. Aus dem Kanzleramt tönt’s kulturkämpferisch gen Rom – das gab es seit Bismarck nicht mehr. Dabei geht es nicht um Holocaust-Leugnung, von der sich der Papst – Gott sei Dank! – unzweideutig distanziert hat, dazu braucht er keine Ratschläge von Angie. Was in der medialen Darstellung meist völlig falsch dargestellt wird: Benedikt hat ja nicht die politischen Absichten dieses Williamson rehabilitiert und ihm auch kein kirchliches Amt zurückgegeben. Er hat lediglich ihn und die Seinen wieder als einfache Mitglieder in der Kirche akzeptiert. Die Kirche aber ist per definitionem eine Gemeinschaft von Sündern – dort hat der Lügner und der Ehebrecher ebenso seinen Platz wie der Mörder und eben auch der Holocaust-Leugner. Würde die Kirche nur diejenigen zulassen, die Heilige sind, wäre sie keine Volkskirche mehr, sondern nur noch eine Sekte.

Sowohl die katholische Kirche wie der Islam werden in der gegenwärtigen Kampagne als archaisch, mittelalterlich und intolerant dargestellt – als tödliche Gefahr für Minderheiten (vgl. die Lesbe im Film, Juden in der Papst-Debatte). Zwischen Frömmigkeit, Fundamentalismus und Terrorismus wird ein Gleichheitszeichen gesetzt. Der Mörder ist immer der Fromme …

Fazit: Anders als im Mittelalter läuft heute offensichtlich nicht mehr der rabiateste Kampf zwischen den verschiedenen Religionen. Vielmehr wollen die Anhänger des totalen Marktes und des globalen Imperiums, die allein dem Geld-Götzen huldigen, alle unter Generalverdacht stellen, die noch an einen Gott glauben – egal an welchen.

Als zivilisiert und freundlich werden dagegen die Tatort-Kommissare hingestellt: Meistens ledig oder geschieden, ohne familiäre Verantwortung und erkennbare Werte, swinging Singles mit lockerem Revolver und losem Mundwerk. Frau Merkel, die ihren Mann versteckt und ihre DDR-Biographie ausgelöscht hat, gehört auch zu diesen Cyborgs der Schönen Neuen Welt.